Weisheiten lang

1. Alles was du brauchst, um eine Rede zu halten, kannst du schon. Das Einzige, was du lernen musst: Bleibe auch unter Stress so, wie immer. Normal.

Fast alles, was wir in einem Gespräch, in einer Rede formal (Person, Stimme, Körper) falsch machen, ist nicht persönliches Unvermögen. Wir verhalten uns so, weil wir nervös sind, unser Körper deswegen Adrenalin ausschüttet und dadurch unser Gehirn und unser Denken blockiert. Je nervöser wir sind, desto mehr Adrenalin; je mehr Adrenalin, desto weniger Denkfähigkeit. Um formal erfolgreich sprechen und reden zu können, müssen wir also (fast) nichts neu lernen. Wir müssen „nur“ lernen, unsere Nervosität in den Griff zu bekommen und damit unseren Normalzustand zu erreichen.

Hier erste Übungen dazu - die du gleich hier und jetzt machen kannst. Alles was du brauchst, ist dein Handy.

Übung 1: Handy an, Audio-Recorder an (wenn du keinen separaten Audio-Recorder hast, geht natürlich auch die Kamera), Handy auf den Tisch legen, Und jetzt erzählst du mir, was du heute gemacht hast! Egal was – der Inhalt ist völlig unwichtig. Einfach reden, quatschen, erzählen. Ungefähr 30 Sekunden.

Okay, das war ja nicht gerade eine große Herausforderung. Die kommt jetzt: Hör dir deine Aufnahme an. (HÖREN – nicht auf den Bildschirm gucken.) Das willst du nicht? Ist dir peinlich, weil du doch nur Quatsch und Blödsinn geredet und aufgenommen hast? Das kann ich verstehen. Aber es gilt doch der Spruch: „Reden lernst du nur durch reden.“ Ich nenne dir gern noch zwei weitere Gründe, warum es so wichtig ist, dass du dir deine Aufnahme anhörst: Wenn du besser werden willst, musst du auch und zunächst wissen, wie du im Moment bist. Das kannst du nur herausfinden, wenn du dich selber hörst. Und: Wenn und solange es dir peinlich ist, dich selber zu hören (und, später: zu sehen), blockiert das dein Zuhören und Denken; du bist gar nicht offen für Vorschläge, was du anders, besser machen kannst.

 

Übung 2: Hör dir deine Aufnahme an.  Das Ziel: Du musst es schaffen, dir die Wiedergabe bis zum Ende anzuhören. Mehr nicht. Ja, es ist dir peinlich, du willst immer wieder sofort was dazu sagen, auf Stopp drücken. Aber natürlich schaffst du es, hörst ohne Unterbrechung bis zum Ende zu. Und erst jetzt darfst du alles dazu sagen: Wie „schlecht“ du bist, wie oft du „ähm“ sagst, dass du so komisch betonst, du so lange, oder vielleicht auch gar keine Pausen machst… Mit einem Satz: Du willst sagen, dass die Stimme, der Mensch auf der Aufnahme überhaupt nicht du selbst bist. Und vielleicht auch, dass du dich einfach nur „unmöglich“ findest…

 

Übung 3: Hör dir deine Aufnahme an, wieder bis zum Ende. Versuche, dich nicht nur „schlecht“ zu finden, sondern herauszuhören, was genau du „schlecht“ findest – super. Wenn du die Details noch nicht heraushörst – kein Problem, wiederhole diese Hör-Übung; einmal, zweimal, dreimal. Oder wie oft auch immer.

 

Übung 4: Hör dir deine Aufnahme an und versuche, ein Detail herauszuhören, das dich an deiner Aufnahme besonders stört/ärgert: zu schnell gesprochen, zu komisch betont, zu viele „Hhmm“ und „Ääähs“ – was auch immer.

 

Übung 5: Die Aufgabe: Den Teil der Aufnahme, in dem dieser eben von dir besonders störende „Fehler“ vorkommt, zu sprechen. Ohne aufzunehmen, nur zu sprechen. Einmal, zwei Mal, drei Mal. Das Ziel muss ich jetzt gar nicht mehr nennen, denn das erkennst und merkst du, je öfter du diesen Textteil sprichst: Du sollst ihn normal sprechen – und das schaffst du auch. Während der Aufnahme hast das nicht geklappt und du hast diesen „Fehler“ nur gemacht, weil du nervös warst – im normalen Leben machst du diesen „Fehler“ nicht. Auch nicht die anderen „Fehler“, die dich an deiner Aufnahme stören.

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2. Einen Text abzulesen, ist eine Lesung – keine Rede.

Und wenn du nicht gerade unglaubliche Fakten in der Rede zu bieten hast; hast eine bahnbrechende Erfindung, eine geniale Theorie oder du die Lotttozahlen der kommenden Ziehung vorhersagen kannst - dann will kein Mensch hörren, wie du deinen Redetext vorliest. Dass deine Rede zur Lesung wird, liegt auch und vor allem an deinem Redetext, an deinem Manuskript. Denn wenn du einen Text schreibst, sitzt du am Computer - und und da verfällst du automatisch in Schriftsprache: Lange Sätzen, viele Fakten, komplizierte Argumente, Theorien - diesen Text kannst du später nur ablesen, denn zum freien Sprechen ist er viel zu kompliziert.

Hier ein Beispiel für einen solchen Ablese-Redetext:

Redetext 01
Begrüßung, Einleitung:
„Vielen Dank. Guten Tag meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Mein Name ist Bibi Beispiel und ich möchte Ihnen einen Ausblick auf das Klima im Jahr 2035 geben. Zwei meiner Berechnungen vorab: Es wird viel mehr Regen geben – und viel mehr Trockenheit. Und es wird dieses Klima nicht nur in Asien und Afrika geben, sondern auch in Europa.“

Redetext 02
„Die Berechnung der Weltbank für die nächsten zehn Jahre gehen von Umweltschäden in einer vermutlichen Höhe von 32 Milliarden Euro aus – allein durch die Zunahme von Dürren und Überschwemmungen. Dabei wird ein großer Teil dieser Schäden in Asien entstehen; Überschwemmungen in den subtropischen Regionen mit einer Niederschlagsmenge in Höhe von 1000 bis 1500 Millimetern pro Jahr und die Dürren vor allem in den ariden Regionen, in denen es weniger als 100 Millimeter Niederschlag im Jahresdurchschnitt gibt

Redetext 03
"Je weiter der Klimawandel, die Klimaerwärmung fortschreitet, desto mehr wird auch die nördliche Hemisphäre von solchen Naturkatastrophen betroffen sein. Und dazu werden auch die Regionen gehören, die jetzt noch durch Wasservorräte in Form von Stauseen, unterirdischen Reservoirs und überirdischen Hightech-Tanks moderne Technik wie Deiche, Dämme und Überflutungs-Technik geschützt sind, denn diese hydrometeorologischen Katastrophen werden sich nicht mehr stoppen lassen.“

Redetxt 04
„Und ebenso sieht es bei den Auswirkungen aus, weder bei denen, die durch Dürren entstehen, noch bei denen durch Überschwemmungen. Vor einigen Jahren hatten uns Agrarbiochemiker noch Hoffnungen gemacht: Durch intensive Forschung könne es sein, Pflanzen und Ackerböden an die sich verändernden klimatischen Verhältnisse und Bedingungen anzupassen; unter dem Schlagwort der „landwirtschaftlichen Resilienz“ wurden Milliarden in die Forschung und Entwicklung zukunftsfähiger Dünger und Saaten gepumpt. Bislang ohne nennenswerte Erfolge, und daran, so die Vermutung vieler Kolleginnen und Kollegen aus den entsprechenden Laboren, wird sich auch nichts Entscheidendes ändern."

 

Das kannst du besser machen. Aber: Ein solcher Text ist trotzdem kein Grund, darüber die Nase zu rümpfen. Denn mit diesem Standard, „nicht besonders gut, nicht besonders schlecht“ können in den meisten Fällen Redner und auch Publikum gut leben, denn schließlich gilt ja auch bei einem Redetext: Minimaler Einsatz – maximaler Erfolg. Wer viel Reden hält, hat gar nicht die Zeit, mehr als nur den Standard zu schaffen.

Wir müssen also viel Zeit, Arbeit und Gehirnschmnalz investieren, um den Text besser zu machen - statt Schriftsprache schreiben wir gesprochene Sprache: Kurze Sätze; sie lassen sich leicht merken, leicht sprechen; sie erleichtern es dem Publikum, den Inhalt/Sinn zu erfassen und sie bleiben dem Publikum lange in Erinnerung. Das gleiche gilt für die Wortwahl: Lange Wörter durch kürzere ersetzen; Fachbegriffe sind meistens besonders lang (Top 1 auf meiner aktuellen Liste: „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“…); Wörter, die auf „-ung“ oder „-keit“ enden, sind meistens substantivierte Verben, die du wieder zu solchen manchen solltest. Dazu: Zwischendurch mal eine rhetorische Frage; eine persönliche Anmerkung; eine gerade gestern erlebte Situation. Baue in deine Rede Phasen ein, in denen es nicht um Fakten und Zahlen geht, sondern um Gedanken, Gefühle; um Beschreibungen, Bilder und Beispiele.

 

So sieht das geänderte frei sprechen Manuskript aus:

Redetext 01
„Wissen Sie schon, was Sie ihren Kindern demnächst zum Geburtstag schenken sollten? Hier zwei Tipps von mir: Ein Schlauchboot. Und einen großen Wasserkanister. Denn im Jahr 2035 werden wir sehr häufig Überschwemmungen haben. Und langanhaltende Dürren. Nein, nicht nur in Afrika und Asien – nicht nur ganz weit weg. Nein. Hier. Mitten in Deutschland. Wie, warum und welche Auswirkungen das auf Sie, aber vor allem auf Ihre Kinder hat – das ist mein Thema in den nächsten 60 Minuten. Und damit herzlich willkommen. Ich bin Bibbi Beispiel.“

Redetext 02
„Wir blicken einmal voraus, zunächst auf die gut kommenden zehn Jahre, bis 2035. Immer mehr Dürren und auch Überschwemmungen. Menschen sterben, verhungern, ertrinken, werden verletzt, müssen vielleicht ihre Heimat verlassen. Die Weltbank hat für diese Katastrophen die Zahlen berechnet: Allein Dürren und Überschwemmungen werden bis 2035 Schäden in Höhe von 32 Milliarden Euro anrichten. Und der Kontinent, den es am härtesten treffen wird ist Asien: Überschwemmungen in den subtropischen Regionen, in denen schon jetzt bis zu 1500 Millimeter Regen im Jahr fällt – drei Mal so viel Regen wie hier bei uns. Dürren gibt es entsprechend in den ariden Regionen Asiens, die dort üblichen Regenmengen von durchschnittlich 100 Millimetern pro Jahr werden nur noch selten erreicht.

Redetext 03:
"Die zweite Erkenntnis unserer Forschungen: Der Klimawandel, Dürren und Überschwemmungen bedroht auch zunehmend die Nordhalbkugel der Erde. Das mag für uns hier in Europa, in Deutschland, noch nicht bedrohlich klingen: Wir sind eine hochtechnisierte Region, können Wasser speichern in Stauseen, unterirdischen Reservoirs und überirdischen Hightech-Tanks – und so auch längere Dürreperioden überstehen. Und gegen Überschwemmungen schützen wir uns mit Deichen, Dämmen und technisch ausgeklügelten Überflutungs-Systemen.“

Redetext 04
„Und ebenso sehen wir uns gewappnet gegen die Auswirkungen des Klimawandels in der Landwirtschaft. Agrar-Experten, Biologen und Chemiker forschen an Getreide-, Kartoffel- und Gemüsesorten, die mit weniger Wasser auskommen und auch Hitzeperioden überstehen. Das Schlagwort für diese Zukunftsvisionen ist „landwirtschaftliche Resilienz“. Milliarden von Euro sind bislang investiert worden, in die Forschung und Entwicklung zukunftsfähiger Dünger und Saaten. Das Ergebnis bislang: Keine nennenswerten Erfolge in diesem Forschungszweig. Und, ich habe mich gerade vor einem Monat noch einmal mir den Kolleginnen und Kollegen aus den entsprechenden Laboren ausgetauscht: In den nächsten zwei Jahren ist hier auch mit keinen nennenswerten Fortschritten und Erfolgen zu rechnen.“

 

Also: Ran an den Text und schon mal eine Probe-Rede halten...

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3. Finde und schalte so oft wie möglich in den Gesprächs-Modus.

4. Wenn DU deine Rede langweilig findest – wird es das Publikum auch tun.

5. Mit deiner Rede sollst du interessieren, motivieren, begeistern. Wenn du informieren willst, schicke allen eine E-Mail.

Die 10 Weisheiten:
Warum? Wieso?
Wie kann ich das machen, lernen, üben?